Von Ruanda nach Deutschland
Es sind ganz eigene Grenzerfahrungen, die die Schriftstellerin Tete Loeper gemacht hat und immer noch macht. Diese junge, gebildete Frau aus dem Schwarzen Kontinent erlebt im Grunde jeden Tag Abenteuer, die jemand, der seine Heimat nie hat verlassen müssen, niemals machen wird. In ihrem wunderschönen bunten Gewand und dem speziellen Haarschmuck sitzt Tete Loeper da und liest aus ihrem ersten Roman. Die junge Frau ist in Ruanda geboren und über Hamburg nach Gernsbach gekommen, ins Murgtal, in die Provinz. Dort lebt sie mit ihrem deutschen Ehemann und mittlerweile zwei Kindern. Sie spricht perfekt deutsch, ihr Schreibstil ist mitreißend, ihre Lesungen sind ein Erlebnis, weil sie Einblick geben in eine völlig andere Kultur.
„Barfuß in Deutschland“ heißt der Titel ihres ersten Romans, er erzählt aus ihrem Leben und ist -wie sie sagt- zu 70 Prozent autobiographisch. Was genau sie selbst erlebt hat und welche Stellen ihrer Phantasie entspringen bzw. den Erfahrungen der Menschen aus ihrem Umfeld entsprechen, darüber werden die Leser*innen spekulieren. Autobiographisch ist auf jeden Fall, was sie über sich und ihre Erfahrungen mit der deutschen Sprache schreibt. Es gehört in die Rubrik „Was nicht sein kann, das nicht sein darf“. Da kommt eine gebildete und sprachgewandte junge Frau aus Ruanda. Die deutsche Sprache spricht sie besser als manche hier geborenen Staatsbürger. Trotzdem laufen einige Gespräche aus dem Ruder. Dann nämlich, wenn das deutsche Gegenüber ihr bruchstückhafte Wortfetzen an den Kopf wirft anstatt ganze Sätze zu formulieren. Heute kann Tete Loeper über solche Begebenheiten lachen, früher hat diese Borniertheit sie oft zum Verzweifeln gebracht. Auch die Tatsache, dass man ihr, die in Ruanda Journalismus und Kommunikationswissenschaften studiert hat, hier zu Land eine Putzstelle anbietet anstatt ihr Diplom ernst zu nehmen. Aber Tete wäre nicht Tete, würden sie solche Stolpersteine nicht stark machen. Die Frau, die den Völkermord an den Tutsi im Exil überlebt hat, musste schon immer Stärke beweisen – Stärke und Selbstbewusstsein. Nur so konnte sie den Sprung in eine komplett andere Kultur schaffen, nur so konnte sie lernen, sich darin zurecht zu finden. Tete Loeper lebt seit 2016 in Deutschland. Sie ist Autorin, Schauspielerin und Bildungsreferentin für interkulturellen Austausch und globales Lernen. Cultureafrica.net schreibt über ihr erstes Buch: „Diese Stimme, diese Sichtweise braucht eine Gesellschaft, wenn sie in Zukunft ein besseres Miteinander mit weniger Ressentiments und Rassismus leben will.“ Durch Tetes Brille sehen wir, wie schwer es ist, hier Fuß zu fassen.
Angesprochen auf den Titel ihres ersten Romans sagt Tete:
„Im Sommer barfuß zu gehen, gilt in Deutschland als cool, in Ruanda läuft man barfuß, wenn man keine Schuhe hat.“ Europa und Afrika, Deutschland und Ruanda – Welten liegen dazwischen – aber Menschen wie Tete Loeper spannen ein Band. Nur dadurch können Verbindungen geknüpft und Sichtweisen geändert werden. Dass das Band zu ihrer Heimat sehr stark ist, sieht man an der farbenprächtigen Garderobe der Tete Loeper, und sie macht keinen Hehl daraus, dass sie irgendwann zurück kehren will zu ihren Wurzeln. Barfuß in Deutschland ist im Orlando-Verlag erschienen. Der zweite Roman der charismatischen Schriftstellerin ist übrigens für April 2023 angekündigt. Wir alle dürfen gespannt sein.