Unter weiß-blauem Himmel

Wir sind, wenn man den Umriss Deutschlands als Kopf im Profil ansieht, an dem Punkt, wo der Hinterkopf in den Nacken übergeht und wo Sachsen an Bayern grenzt. Wieder eine Grenze. Hurra! Die Fahrt geht immer schön an der tschechischen Grenze entlang, über Berg und Tal – ein ständiges Auf und Ab, ein „Nuff un Nunner“, wie der Badener sagt. Drastische Steigungen und dramatische Gefälle wechseln sich ab. Stellenweise fühlen wir uns an den Schwarzwald erinnert, aber dann wird uns klar: Verglichen mit dem Erzgebirge ist der Schwarzwald ein Waisenknabe. Nach einer abenteuerlichen Fahrt landen wir schließlich in Furth im Wald, der geheimnisvollen Drachenstichstadt. Der Drache spielt in dem Grenzstädtchen schon immer eine Rolle. Das Drachenmuseum gibt Aufschluss über das geheimnisumwitterte Wesen, das auch Pate steht für die Drachenstichfestspiele, die jährlich im August stattfinden.

Uns begegnet der Drache an einem besonderen Ort, den wir zufällig entdecken, weil wir gegenüber dem „Flederwisch“ in unserem Wohnmobil übernachten. Was die Brüder Rolf und Alex Schüler mit ihrer Erlebniswelt aufgebaut haben, ist einzigartig. Eigentlich wollten sie vor ein paar Jahren nur ihren Betrieb vergrößern. Auf dem Grundstück, das sie dafür erworben haben, befanden sich -auch für sie überraschend- ein altes Industriegebäude von 1880, Werkstätten, in denen es aussieht, als seien die Arbeiter gerade mal in die Pause gegangen und kämen gleich wieder. Die Buchdrucker- und Papiermacherwerkstatt, eine Schmiede, eine Schusterei und andere Räumlichkeiten haben den Charme eines „lost place“. Alle Arbeitsutensilien sind noch original erhalten, und das soll auch so bleiben, erzählt Rolf Schüler, denn „wir wollen Geschichte erfahrbar machen und sie nicht verwischen.“ In der Erlebniswelt Flederwisch ist Berühren ausdrücklich erlaubt.

Spezielle Führungen für Besucher -große und kleine – geben Aufschluss über alte Berufe. Mit Fachwissen und Anekdoten, witzig und mit feinsinnigem Humor gespickt, führt Günther ganze Familien durch die Werkstätten, sodass auch Kinder und Jugendliche ihren Spaß an dem Museum der besonderen Art haben. Immer wieder lässt er die Besucher Fragen beantworten und kleine Handgriffe verrichten. Gäste dürfen mit ihren eigenen Händen Papier schöpfen, Gold schürfen und viele andere Dinge tun. Ein Gang über das Gelände gerät dadurch zu einem lebendigen, einprägsamen Geschichtsunterricht.

Das Lieblingsobjekt von Rolf Schüler ist zweifellos die größte, noch voll funktionsfähige lokomobile Dampfmaschine, und er hat viel Spaß dabei, die Maschine persönlich vorzuführen. Dieses Monstrum wurde 1912 im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. erbaut und diente zur Stromerzeugung für die größte Funkanlage Deutschlands – in einer Zeit, als Deutschland weltweit viele Kolonien hatte. Mit dem Koloss war also die Kommunikation gewährleistet. Ein Jahr lang wurde die Dampfmaschine zerlegt, in die Flederwisch-Erlebniswelt transportiert und wieder aufgebaut. Apropos bauen: Rolf und Alex Schüler haben auf ihrem Gelände eine spezielle Erfinderwerkstatt eingerichtet. Dort experimentieren sie und probieren aus, was technisch möglich ist. Dabei haben sie mindesten genauso viel Spaß wie später die Betrachter kurioser Erfindungen.

Warum heißt die Erlebniswelt nun aber Flederwisch? Rolf Schüler erklärt das so: „Ein Flederwisch ist der unterste Gänseflügel, man hat ihn früher als Handfeger benutzt.

Als ich mich vor Jahren hier zum ersten Mal umgesehen habe, bin ich fast in eine Kiste gefallen, in der lauter Flederwische lagerten. Als dann ein Name für unsere Erlebniswelt gesucht wurde, ist mir dieser Vorfall wieder eingefallen, und damit war die Sache klar.“ Und schließlich, wer hätte es gedacht, führt uns Rolf Schüler zu einem Drachen, den es natürlich auch in seinem Erlebnispark gibt und den Bogen spannt zu der Stadtgeschichte.

Übrigens: Bis September findet auf dem Gelände der Erlebnismacher jeden Mittwoch ein Kunst- und Handwerkermarkt statt.

www.drachenschmiede-flederwisch-furth.de

 

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