Sargmaler ??? - Sargmaler !!!

Sargmaler? Das habe ich ja noch nie gehört“, werden jetzt sicherlich einige denken. Aber ja, es gibt ihn – den Sargmaler Alfred Opiolka und seinen Sargladen in Lindau-Insel. Damit ist der Künstler ziemlich einzigartig. Blumen gibt es im Blumenladen, im Lebensmittelgeschäft gibt es Lebensmittel – also gibt es Särge im Sargladen. Punkt! Warum sprachliche Umleitungen bemühen, wenn doch alles so einfach ausgedrückt werden kann? Der Fassaden- und Kunstmaler ist da ganz klar in seiner Aussage. Ist ein Sargladen etwas Makabres, wie manche Leute behaupten? Nein – aber vielleicht ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Das aber auch nur, wenn man sich mit dem Thema Leben und Tod noch nicht auseinander gesetzt hat. Wir haben in der Zeitung über Alfred Opiolka gelesen. Für uns war sofort klar – das ist ein interessanter Mensch, den wir unbedingt aufsuchen müssen, sobald wir wieder für unsere Mission „Merkels Grenzerfahrungen“ unterwegs sind.

Was der Sargladen mit uns gemacht hat, ist kaum zu beschreiben. Das Gespräch mit Alfred Opiolka – wahrscheinlich eines der besten, das wir je geführt haben: tief, mit ganz viel Inhalt, absolut sensibel, interessant mit vielen Aspekten. Obwohl wir den Maler an einem verregneten Tag in seinem Atelier besuchen, geht sofort die Sonne auf, denn seine Werke sind bunt. Die Bilder, die Urnen – und natürlich auch die Särge. Die “Kisten“, wie der ausgebildete Fassadenmaler seine Objekte manchmal augenzwinkernd nennt, kommen bemalt wie eine Allgäuer Blumenwiese daher, wie ein Beet roter Mohn oder wie ein Schmetterlings-Schwarm. Innen sind sie mit duftendem Heu ausgeschlagen und mit einem zum jeweiligen Motiv passenden Stoff. Einige Passanten, die am Schaufenster vorbei gehen, bleiben staunend stehen. Andere legen einen Zahn zu und machen, dass sie den Laden so schnell wie möglich hinter sich lassen. „Wenn ich vor 20 Jahren gewusst hätte, welchen Anfeindungen ich ausgesetzt werde, hätte ich nicht den Mut aufgebracht, einen Sargladen zu eröffnen“, sagt Alfred Opiolka, der heute nicht nur Maler ist sondern in gewisser Weise auch Trauerbegleiter, Psychologe, Pfarrer, Trauerredner, Philosoph, Unterstützer in schwierigen Situationen. „Ich bin mir absolut sicher“, fügt er hinzu, „wenn es den Scheiterhaufen noch gegeben hätte, dann wäre ich als Hexer verbrannt worden. Das liegt daran, dass einige Menschen sich provoziert fühlen. Sie fühlen sich berührt, wo sie nicht berührt werden wollen.“ Inzwischen stellt er fest, dass – wer einmal vor seinem Laden stehen geblieben ist -, die Eindrücke mit nach Hause nimmt und im Falle eines Falles zurück kommt.

Alfred Opiolka setzt auf Mundpropaganda, und er stellt seine Objekte (eines ist schöner als das andere) auf Messen aus. Die Zeiten, in denen er angefeindet wurde, sind Gott sei Dank vorbei. Heute steht die konstruktive Auseinandersetzung mit einem tiefgreifenden Thema im Vordergrund. Alfred Opiolka, den man an seinem künstlerisch gezwirbelten Schnurrbart und dem Hut erkennt, hat eine unglaublich zugewandte Art. Was er von kranken Menschen oder Hinterbliebenen erfährt, verarbeitet er bei der Gestaltung seiner Urnen und Särge. Um einen sterbenden oder verstorbenen Menschen zu würdigen und ihn mit Respekt in die nächste Welt hinüber zu geleiten, muss er ihn kennenlernen. Manche Leute sorgen vor und bestellen tatsächlich ihre „Kiste“ zu Lebzeiten, andere Menschen lernt der Sargmaler über die Erzählungen ihrer Hinterbliebenen kennen. Seine Objekte, ob Sarg oder Urne, gestaltet er dann so individuell wie möglich.

Ich persönlich möchte, dass meine Asche in unserem Garten verstreut wird – unter den Apfelbäumchen, die wir für unsere Enkelkinder gepflanzt haben. Die Urne, vielleicht mit Schuhen, Mikrofonen und Notenblättern bemalt, sehe ich hinterher als Blumenvase. Ja, ich weiß, das Bestattungsgesetz erlaubt so etwas nicht in Baden-Württemberg. „Aber“, sagt Alfred Opiolka, und das macht mir Hoffnung, „es ändert sich gerade einiges – vieles ist im Wandel“. Auch der Künstler selbst hat sich gewandelt, quasi durch seine Arbeit, die er manchmal wie eine Therapie empfindet. „Ohne den Sargladen wäre ich nicht der, der ich bin“, stellt er fest. „Früher war ich eher zurückgezogen, unsicher und introvertiert. Heute gehe ich auf die Menschen zu, halte Vorträge. Durch die Herausforderungen der letzten 20 Jahre, durch meine Gegner und die Verletzungen, die man mir zugefügt hat, bin ich gewachsen.“

 Das Wichtigste sind dem Maler die Begegnungen mit Menschen. Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, empfindet er als Geschenk. „Urnengestalter“, sagt er „gibt es mehrere, aber an Särge traut sich kaum jemand heran.“ Insofern ist Alfred Opiolka eine ganz besondere Spezies. Die Särge lässt er übrigens von einem Schreiner seines Vertrauens fertigen. „Ich kann nicht auf „Müll“ malen. Damit meint er schlechtes Holz. Und noch etwas ist ihm ganz wichtig: Sarg und Deckel sind so passgenau gearbeitet, dass man keine Schrauben braucht, denn „das Zuschrauben ist mir zuwider“. Bleibt die Frage, ob Alfred Opiolka ein religiöser Mensch ist. „Religion ist Menschenwerk“, antwortet er klar und deutlich, „aber an Gott, an Jesus glaube ich. Und viele könnten ein Jesus sein, wenn sie sich nur trauen würden.“ Auf die aktuelle globale Situation angesprochen, kommt eine überraschende Antwort von einem, der mit vielen Menschen in Berührung kommt. „Die meisten Leute sind leise, aber sie wollen der Gesellschaft etwas geben, und das tun sie ohne großes Palaver, z.B. als Hospizhelfer. Laut sind nur die wenigsten, aber die sind natürlich nicht zu überhören. Unterm Strich überwiegen bei Weitem die Leisen, die Hilfsbereiten, und das gibt mir Hoffnung.“

Hoffnung hat der aus Polen stammende Allgäuer, für den der Tod nicht schwarz sondern grün ist, weil nach dem Tod etwas Neues beginnt. Grün steht für austreibende Pflanzen im Frühling, grün steht für den Beginn eines neuen Lebens. Seine Vision: Alle Bestatter sollten nicht staatstragend schwarz tragen und mit Trauermine daher kommen sondern grün, wie es einige in Ansätzen (durch ein Halstuch oder Hemd) schon tun. Auch die Räume im Bestattungsinstitut und die Bestatter-Fahrzeuge wünscht er sich in grün. Eine schöne Vorstellung, wie ich meine. Geschichten, die Alfred Opiolka erlebt und Erfahrungen, die er gemacht hat, sind festgehalten in seinem Buch: Der Tod ist grün, absolut lesenswert. Mit der Gewissheit, einen ganz besonderen Menschen kennengelernt zu haben, einen Menschen, der die Mission „Merkels Grenzerfahrungen“ unterstützt, verlassen wir innerlich berührt und sehr bereichert den Laden und Lindau-Insel. Unser Gespräch mit einem außergewöhnlichen Menschen hat sich tief und fest in unser Gedächtnis eingegraben.

https://www.sargladen.com

 

LESEN – SICH FREUEN – SPENDEN – DANKE