Haferl-Schuhe – die besondere Note

Wir haben uns in den Kopf gesetzt, dem „Haferl“-Schuh auf den Grund zu gehen. Im Alpenraum gehört er zum perfekten Outfit. Wer etwas auf sich hält, trägt Tracht, und ja, dazu gehören Haferl-Schuhe. Nur: Wer stellt heutzutage noch Haferlschuhe her? Das herauszufinden, haben wir uns auf die Suche begeben. Und wir sind fündig geworden – bei Markus Nöß. In Pfronten/Allgäu hält er die Tradition hoch, und damit auch die Familientradition. Der Maßschuhmachermeister und Orthopädie-Schuhmachermeister arbeitet bereits in der 5. Generation. In seinem Laden gibt es nur gesunde (d.h. perfekt passende) Schuhe, das ist ihm und seinem Team wichtig. Das ist quasi Familienehre. Laden und Werkstatt liegen räumlich beieinander. Die Kundschaft sieht nicht nur, wo sie sich befindet, nein, sie riecht es auch, denn das Leder ist der Werkstoff, der es Markus Nöß angetan hat – mit Leder, mit Leisten, mit speziellen Werkzeugen und Werkstoffen ist er groß geworden.

Dass er als nur einer von ganz wenigen seiner Zunft auch Haferlschuhe herstellt, macht ihn stolz und für die Kundschaft zu einem besonderen Menschen. „Eigentlich gehöre ich zu einer aussterbenden Rasse“, bemerkt er im Interview, „allzu viele Haferlschuhmacher gibt es tatsächlich nicht mehr.“ Seine Liebe zum Produkt ist ihm anzumerken. Daran, dass das Handwerk ein anspruchsvolles ist, haben wir keinen Zweifel. Trotzdem kommen wir ins Staunen. Warum? Weil er für die Herstellung von Haferlschuhen sage und schreibe 25 Arbeitsstunden braucht und weil für die Fertigstellung dieser besonderen Exemplare von Fußbekleidung 90 Arbeitsschritte benötigt werden.

Der Haferlschuh, das ist hohe Kunst, ein sehr anspruchsvolles Handwerk, das nur noch wenige Schuhmacher beherrschen. Umso glücklicher sind wir, dass wir bei unseren Recherchen auf Markus Nöß gestoßen sind. Schuld daran ist übrigens der Schmitt-Max vom Bayerischen Rundfunk. Was? Sie kennen den Schmitt-Max nicht? Das ist in der Tat eine Bildungslücke. Der Schmitt-Max ist quasi ein Reporterkollege von mir, einer, der einfach alles ausprobiert und vor keiner noch so kniffeligen Aufgabe zurückschreckt. Da liegt es nahe, dass er sich bei einem Haferlschuhmacher-Workshop angemeldet hat – bei Markus Nöß! Denn der begnadete Schuhmachermeister verkauft nicht nur Haferlschuhe, er bringt Leute dazu, Haferlschuhe sogar selbst herzustellen. Dreimal im Jahr reserviert er jeweils eine ganze Woche für einen Haferlschuh-Kurs, und der wird dankbar angenommen. Am Anfang steht das Maßnehmen. Ein Schuh, der wie eine zweite Haut sitzen soll, muss zuerst vermessen werden. Dann wird er über einen individuellen Leisten gefertigt. In seinen speziellen Kursen leistet Markus Nöß bei allen Arbeitsschritten Hilfestellung. Lobenswert und nicht alltäglich: Er behält sein Wissen nicht für sich, sondern er gibt es an interessierte Haferlschuh-Träger weiter. Mit den Ergebnissen seiner Workshop-Teilnehmer ist er im Großen und Ganzen zufrieden – auch mit dem Ergebnis vom Schmitt-Max. Dessen Sendung in diesem Zusammenhang steht übrigens unter dem Motto „Der Schmitt-Max richt‘ sich zamm für’d Wiesn (frei übersetzt: Der Schmitt-Max macht sich zurecht für’s Oktoberfest). Irrsinnig! Das ist das Lieblingswort vom Schmitt-Max. 

Aber es sind nicht nur Oktoberfestgänger, die ein Faible für den traditionellen Haferlschuh haben. Die Kundschaft kommt auch nicht nur aus Bayern sondern ebenso aus der Schweiz und aus allen Teilen Deutschlands. Bei Markus Nöß spüren sie die Faszination für ein besonderes Schuh-Kunstwerk. Auch nach mehreren Jahrzehnten lässt die Faszination für traditionelles Schuhwerk nicht nach. „Ich liebe eben gutes Leder, der Haferlschuh gehört zur Region und zu den vielen Trachtenvereinen. Was wären sie ohne das spezielle alpenländische Outfit? Sogar zu Jeans passt ein Haferlschuh“, beteuert der Experte, „mit Tracht und Haferlschuh bist Du einfach immer gut gekleidet. Übrigens ist zu bemerken, dass auch junge Leute wieder Gefallen finden an exquisiten, handgefertigten Schuhen“. Im Übrigen, fügt der Haferlschuh-Liebhaber noch hinzu, gutes Schuhwerk kann immer auch repariert werden.

Bleibt eine Frage, auf die sich allerdings gar nicht so leicht eine Antwort finden lässt: Woher kommt der Name „Haferlschuh“? Ein Haferl, das wissen wir, ist im Alpenländischen Raum eigentlich eine Tasse. Wie bringt man die Tasse nun mit dem Schuh zusammen? Am besten gar nicht, denn das führt auf Irrwege. Fest steht, dass der Ur-Haferl-Schuh aus dem Allgäu kommt. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts soll ihn ein gewisser Franz Schratt entworfen haben. Typische Merkmale: Schiffchenspitze, Knöchelausschnitt, Staublasche, Fersenkappe. Vielleicht erkennt jemand darin eine Ähnlichkeit mit einem Haferl…? Aber eigentlich ist es auch ganz egal, warum der Schuh so heißt, Hauptsache er passt perfekt und er kleidet seine Träger gut. Und das ist auf jeden Fall gewährleistet, wenn Markus Nöß und seine Mitarbeitenden Hand anlegen. Dann geht jeder gut beschuht aus dem Laden. Danke für die Einblicke und danke für die Spende zugunsten krebskranker Kinder! Wir haben wieder viel dazu gelernt, und es hat Spaß gemacht.

 

Fotos: Markus Nöß

https://www.gesunde-schuhe-noess.de

 

LESEN – SICH FREUEN – SPENDEN – DANKE