Fisch...nicht nur zum Essen !!!
„Hää?“ würde der Badener sagen. „Wie bitte?“ – alle, die nur Hochdeutsch sprechen. „Wer sagt, dass man Fisch nur essen kann?“ – so formuliert Ramona Stelzer ihre Frage, denn Fisch ist weit mehr als ein Lebensmittel. Fisch ist nicht nur gesund, sondern mit ihm, respektive seiner Haut, lassen sich ganz wunderbare Kunstwerke herstellen. Nichts anderes macht die junge Designerin, die in Wismar den einzigartigen Fischleder-Store betreibt.
Aus der Haut verschiedener Fischsorten fertigt sie Schmuck und Accessoires – Ringe, Ketten, Ohrringe und Armbänder – ein Teil hübscher als das andere. Den Schmuck stellt Ramona Stelzer selbst her. Gürtel, Portemonnaies und Handtaschen fertigen Manufakturen nach ihren Entwürfen. Sogar Schuhe aus Fischleder gibt es. Wir sind erst einmal baff!
Die Künstlerin selbst war sofort Feuer und Flamme als eine Professorin der Wismarer Hochschule ihr eine Sammlung Fischleder präsentiert hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte Ramona Stelzer gerade den Entwurf für ein Schmuck-Projekt fertiggestellt und war auf der Suche nach besonderen Materialien. Künstlerin und Fisch hatten sich gefunden! „Fischleder ist wie die Kirsche auf der Torte“, zeigt sie sich begeistert von den verschiedenen Fischlederarten. „Damit habe ich eine riesige Spielwiese, denn jede Fischhaut hat eine andere Struktur. Das Material ist haltbar und ganz nebenbei ist unsere Arbeit nachhaltig. Was wir verarbeiten, ist im Grunde nichts anderes als Abfall aus der Lebensmittelindustrie.“
Bis der Abfall zum Schmuckstück bzw. die Haut zum Leder wird, muss er verschiedene Prozesse durchlaufen. „Er muss entfettet und entschuppt werden“, erklärt die Fachfrau, „er wird in Tinkturen eingelegt und ständig bewegt. Beim Gerben verändert die Haut ihre Struktur, und sie verliert ihre Farbe. Die Haut muss demzufolge neu eingefärbt werden. So habe ich die Möglichkeit, das Fischleder in bestimmten Farben zu beziehen.“ Etwa 10 Fischledersorten verarbeitet Ramona Stelzer zu äußerst interessanten Kunstwerken.
Die Sorten variieren in Struktur, Oberfläche, Form und Stärke. Mit anderen Worten: Jedes Kunstwerk ist individuell. Den Fischlederstore in der Wismarer Innenstadt gibt es seit 2019. Der Werdegang von Ramona Stelzer war so aber nicht vorgezeichnet. In Baden-Württemberg aufgewachsen, hätte sie sich auch vorstellen können, Musikerin zu werden, denn Musik ist ein wichtiger Teil ihres Lebens. Mit Begeisterung hat sie im Musikverein 13 Jahre lang Saxophon gespielt und später begonnen, Schlagzeug zu lernen. Auch den Beruf der Instrumentenbauerin hatte sie ins Auge gefasst – auf jeden Fall aber wollte sie mit den Händen Kreatives erschaffen. Nichts anderes macht sie heute, wenn auch in anderer Form als ursprünglich geplant. Ihr Lebensweg führte sie über Hanau nach Wismar. „In Hanau“, erzählt sie, „lernte ich den Beruf der Goldschmiedin. Dort war es möglich, Handwerk, Gestaltung und Unterricht miteinander zu kombinieren, das kam mir sehr entgegen.“ Im Anschluss hat Ramona Stelzer an der Hochschule Wismar Schmuck- und Produkt-Design studiert und als Diplomarbeit ihren eigenen Werkstatt-Tisch mit gerundeter Arbeitsplatte hergestellt. Da ist sie wieder – die kreative Handwerkerin. „Alle benötigten Werkzeuge liegen nur eine Armlänge entfernt“, stellt die junge Künstlerin fest, „das ist praktisch.“
Ihr Atelier ist Werkstatt und Verkaufsraum zugleich. Passanten und Kunden bewundern ihre Kreationen gleichermaßen. Im Sommer sind viele Touristen darunter. Die meisten sind – so wie wir – überrascht von Produkten, die einzigartig und außergewöhnlich sind. Vom Feedback alleine kann aber keine Künstlerin leben, und aktuell stellt Ramona Stelzer fest, dass das Geld bei der potentiellen Kundschaft nicht mehr ganz so locker sitzt wie noch vor Jahren. Darum, und weil sie auch anderswo auf ihre Kreativität aufmerksam machen möchte, eröffnet sie von Mitte Oktober bis Mitte Januar einen pop-up-store in Hamburg. An Ideen mangelt es der charismatischen Geschäftsfrau nicht. Für ihre Leidenschaft ist sie quasi vom Süden in den Norden Deutschlands gezogen ist. Bereut hat sie das nie, wenngleich die Mentalität der Schwaben ganz gewiss nicht mit dem Charakter der Menschen in Mecklenburg zu vergleichen ist. „Die Mecklenburger sind ein anderer Menschenschlag“, resümiert Ramona Stelzer, „sie sind offen, nett und freundlich, aber sie sind nicht so geschwätzig wie die Menschen in meiner Heimat. Trotzdem fühle ich mich hier oben sehr wohl.“ Auch wenn der weitere Lebensweg nicht vorgezeichnet ist, ihr Beruf sie möglicherweise auch noch an andere Ufer spült: Die Leidenschaft für ihre Tätigkeit wird bleiben, ebenso die Liebe zum Fisch, den sie übrigens auch gerne verzehrt. „Aber noch lieber betrachte ich die großen Fischtheken, dabei kann ich mir gut vorstellen, welche Schmuckstücke mit welchen Eigenschaften sich aus der jeweiligen Fischhaut herstellen lassen. Ihr Lieblingsfisch ist übrigens der Perlrochen mit seiner speziellen Optik und Haptik. „Die kleinen Hornkügelchen glänzen wie Pünktchen, sie sehen sehr ästhetisch aus, und sie sind hart, was gerade bei Ringen sehr wichtig ist.“
Wir können bestätigen: Fisch ist nicht nur zum Essen da. Durch den Besuch bei Ramona Stelzer hat sich diese Erkenntnis auch in unseren Köpfen festgesetzt. Sollte mir jemals jemand ein Schmuckstück schenken wollen (nur mal angenommen), ich wüsste in welcher Vitrine es liegt. Wieder einmal verlassen wir sehr bereichert einen ganz besonderen Ort und verabschieden uns von einer ganz besonderen Persönlichkeit. Danke, Ramona Stelzer, für die spannenden Einblicke in eine für uns fremde Materie, und danke für die zugesagte Spende zu Gunsten krebskranker Kinder. Nur mit Hilfe solch empathischer Unterstützer können wir das Projekt „Merkels Grenzerfahrungen“ weiter voran bringen.
https://www.fischlederstore.de/
LESEN – STAUNEN – SPENDEN – DANKE!!!
