Grüezi oder Guten Tag? Enklave oder Exklave?
Die erste Frage ist schnell geklärt, denn Bürgermeisterin Vera Schraner begrüßt uns mit einem herzlichen Grüezi. Die Beantwortung der zweiten Frage hängt davon ab, aus welchem Blickwinkel man auf die Gemeinde Büsingen am Hochrhein schaut. Für die Schweiz ist Büsingen eine Enklave, nach deutscher Lesart handelt es sich um eine Exklave, denn der Ort ist vollkommen von Schweizer Staatsgebiet umschlossen. Das ist ein Sonderstatus, wie es ihn nur selten gibt, und der es weder der Bürgermeisterin noch den Bürgern leicht macht. In politischer, rechtlicher, wirtschaftlicher Hinsicht gibt es einiges zu beachten. Was uns gleich ins Auge sticht auf dem Vorplatz des Bürgerhauses, wo nicht nur die Bürgermeisterin ihren Dienstsitz hat, sondern das darüber hinaus auch von den Vereinen und für sonstige Zusammenkünfte genutzt wird, ist eine Poststelle mit zwei Postleitzahlen, eine für Deutschland und eine für die Schweiz. Briefe aus Büsingen können mit Schweizer oder mit deutschen Briefmarken frankiert werden. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit standen auf dem Platz auch eine Schweizer und eine deutsche Telefonzelle direkt und einträchtig nebeneinander. Längst nicht alle Büsinger Bürger telefonieren über die deutsche Vorwahl, viele haben einen Schweizer Telefonanschluss.



Ob Arbeitsplatz, Öffentlicher Nahverkehr, Schulbesuch, Steuern, Zugehörigkeit zu Vereinen und Verbänden oder Zoll: Von A – Z hat in Büsingen alles seine Besonderheit. Politisch ist Büsingen Teil von Baden-Württemberg, gehört zum Landkreis Konstanz, hat aber ein eigenes Autokennzeichen: BÜS. Wirtschafts- und gesellschaftspolitisch ist der Ort zur Schweiz hin ausgerichtet. Nicht nur aber gerade für die Bürgermeisterin bringt die spezielle Situation Herausforderungen mit sich wie wahrscheinlich sonst kaum irgendwo. Auch die Einwohner von Büsingen müssen mit den besonderen Begebenheiten fertig werden, z.B. mit der deutschen Steuerbelastung, die über dem Schweizer Niveau liegt – dazu die hohen Schweizer Lebenshaltungskosten. Das sind echte Nachteile. „Aber“, gibt die Bürgermeisterin zu bedenken, „es ist trotzdem gut, dass Büsingen zu Deutschland gehört, denn wenn wir der Schweiz angegliedert wären, hätte unser Dorf nicht mehr den ländlichen Charakter, dann wären unsere Wiesen und Felder um uns herum längst schon überbaut.“ In der Vergangenheit gab es immer mal wieder Bestrebungen, Büsingen in die Schweiz einzugliedern. Sogar abgestimmt wurde, ohne, dass sich am Status quo etwas verändert hätte. Das alles liegt auch schon lange zurück, das war vor der Ratifizierung des Staatsvertrags, der 1967 in Kraft getreten ist. „Darin ist so ziemlich alles geregelt“, zeigt sich Vera Schraner überzeugt. Seit vier Jahren ist sie im Amt, und dass sie ihren Job gerne macht, merkt man ihr an. Keine Antwort bleibt sie uns schuldig als sie uns „ihr“ Büsingen zeigt, eine Gemeinde, die von einer 17 km langen Grenze umgeben ist.



Und wenn ich sage Grenze, dann ist das nicht nur eine Gemeinde-, Bundesland- und Staatsgrenze sondern auch eine EU-Außengrenze. Auf dem Büsinger Exklavenweg erhält der Spaziergänger oder Wanderer Einblicke in eine Region, wie sie interessanter nicht sein könnte. Während unseres kurzen Aufenthalts in Büsingen die ganze Vielfalt an Sehenswürdigkeit zu besuchen, das schaffen wir trotz der ortskundigen Führung durch die Bürgermeisterin nicht – schade! Aber einige herausragende Punkte kann sie uns doch zeigen: Die Alte Rheinmühle (alti Rhy-Mülli) zum Beispiel, eine ehemalige Kornmühle, die durch ihr Ambiente und die Lage direkt am Fluss als Gastronomie- und Hotelbetrieb internationalen Ruhm genießt. Ein Stück geht Vera Schraner mit uns am Rhein entlang, wo wir die „Weidlinge“ bestaunen können, traditionelle Flachboote, die mit sog. „Stachel“ fortbewegt werden. Infolgedessen heißen diejenigen, die das Boot bewegen „Stachler“. Wieder etwas dazu gelernt! Nur wenige Meter weiter liegt das idyllische Strandbad von Büsingen. Ein „Schwumm“, wie der Schweizer sagt, ist uns allerdings nicht vergönnt. Auch für einen Spaziergang auf der anderen Rheinseite reicht unsere Zeit leider nicht aus.



Auf Anraten von Vera Schraner besuchen wir aber noch das Waldheim, ein Restaurant, auf dessen Außenterrasse die deutsch-schweizerische Grenze verläuft. Unsere Freunde aus Australien, Ineke und Peter, sitzen nebeneinander am Tisch, sie in der Schweiz, er in Deutschland. Eine kuriose Situation, die aber hervorragend zu unserem Projekt „Merkels Grenzerfahrungen“ passt. Genau solche Örtlichkeiten suchen wir. „Die Bergkirche St. Michael“ sollten Sie unbedingt besuchen“, empfiehlt uns die Rathaus-Chefin noch. Dass dieses kleine Kirchlein aus dem späten 11. Jahrhundert eine beliebte Hochzeitskirche ist, daran kann kein Zweifel bestehen. Die Aussicht – grandios! Für uns ist klar: Es gibt noch viel zu erkunden in Büsingen. Deshalb werden wir bald mal wieder über die Schweiz nach Baden-Württemberg einreisen, dann mit ausreichend Schweizer Fränkli ausgestattet, denn sie sollen in Büsingen das bevorzugte Zahlungsmittel sein. Unser herzlichster Dank gilt dem charismatischen Ortsoberhaupt Vera Schraner. Durch sie war es möglich, neue Grenzerfahrungen zu machen und unser Projekt weiter voranzutreiben. Dankeschön und weiterhin viel Spaß und Erfolg als Bürgermeisterin.
LESEN- SICH FREUEN – SPENDEN – DANKE