Fesch, sexy, traditionell und modern - immer passend gekleidet

Schon auf unserer ersten Spendenreise 2022 waren wir auf der Suche nach einer Dirndl-Schneiderei – damals leider vergeblich. Jetzt also ein neuer Versuch, und siehe da: Der Tipp einer Kellnerin führt uns direkt zu Markus Hippold nach Nesselwang. Naja, so direkt nun auch wieder nicht, denn es ist Samstag, und Markus Hippold nicht in seinem Geschäft. Wir konnten also nur eine Nachricht hinterlassen und hoffen, dass er sich meldet. Andererseits sind wir ja immer auf dem Sprung – hinter der nächsten Geschichte her. Als der Rückruf des Dirndl-Experten uns erreicht, waren wir schon ein gutes Stück entfernt und er beim Dirndl-Näh-Kurs. Also umdrehen – ein gutes Stück zurück und dann der Blick in den zum Nähstudio umfunktionierten Raum der Nesselwanger Vereine. Wo ist das Problem? Es gibt keins!

So haben wir drei Damen und einen Herrn kennengelernt, die unter der Anleitung von Markus Hippold die Trachten-Schneiderei erlernen. Unterm Strich haben wir sehr viel gelernt, nicht nur über die Arbeit des jungen Dirndlschneiders. Markus Hippold liebt die Kreativität, und die kann er bei der Trachtenmode so richtig ausleben. Es versteht sich von selbst, dass er auch Sakkos, Westen, Janker, Hosen und was sonst noch alles zur traditionellen und modernen Tracht dazu gehört, schneidert. „Ich habe meinen absoluten Traumjob gefunden“, resümiert er, „schon als Kind habe ich es geliebt, zu nähen, zu stricken, zu sticken, zu häkeln – die Handarbeit eben! Das sollte sich später auszahlen, denn seinen erlernten Beruf als Altenpfleger konnte er nach einem bedauerlichen Skiunfall irgendwann nicht mehr ausüben. Eine lange Genesungszeit hat den jungen Mann gezwungen, sein Leben zu überdenken, sich neue Ziele zu stecken. Der heutige Experte für Trachtenmode entschied sich schließlich für das Schneidermaßhandwerk und -quasi als das Tüpfelchen auf dem i- für das Studium zum Staatlich anerkannten Modedesigner. Dass er sein Handwerk versteht, zeigen die von ihm in Maßarbeit hergestellten Dirndl unterschiedlichster Couleur. Der Mann mit dem Faible für Stoffe, Futterstoffe und Nähgarne fertigt Alltagsdirndl ebenso wie Festtagsgewänder oder Hochzeitsdirndl.

Dabei ist eins prächtiger als das andere, und mitnichten zu vergleichen mit Konfektionsware. Die findet man bei dem Meister aus Nesselwang nicht! KREATIVITÄT ist eben sein ganz besonderes Markenzeichen. Das vermittelt der passionierte Trachtenliebhaber auch den Teilnehmern und Teilnehmerinnen seiner Trachten-Nähkurse. Die Tracht -das haben wir gelernt- ist eine Wissenschaft für sich und ein Kulturgut, zumindest in Bayern und im angrenzenden Alpenraum. Dabei ist Tracht nicht gleich Tracht. Das zum Dirndl gehörende Mieder ist in Oberbayern steif, soll heißen: mit Stäbchen versehen. Im Allgäu setzt man auf die sog. Schnürstepperei, das Mieder ist weich. Aber auch von der Optik her ist Dirndl nicht gleich Dirndl. Abgesehen von Farben und Mustern, gibt es verschiedene Blusenmodelle, unterschiedliche Röcke, einteilige Dirndl, Dirndl mit Spenzer und…und…und.

Da geht es um Ausschnitt-Varianten, ums Ärmel-Design, um Verzierungstechniken. Es geht um Bänder, Biesen, Borten und Knöpfe, denn eins ist sicher: Einen Reißverschluss verarbeitet Markus Hippold, der sich selbst als „traditionellen Menschen“ bezeichnet, nicht. Ansonsten sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Wer bei Markus Hippold ein Dirndl bestellt, braucht nicht nur Vorstellungsvermögen, sondern auch Geduld – viel Geduld. Ein Dirndl entsteht nämlich nicht im Schweinsgalopp. Das Maßnehmen dürfte für alle die einfachste Übung sein. Aber spätestens, wenn es um Stoff, Futterstoff und Zutaten geht, wenn ein Schnitt festgelegt werden soll, wird es kompliziert.

A propos Schnitt: Er ist das Wichtigste, wenn alles perfekt sitzen soll. So wie Markus Hippold sich in seinen Anfängen alles erarbeitet hat, so bringt er das seinen nähbegeisterten Schülern und Schülerinnen bei. Ein Teilnehmer näht ein Herren-Tanz-Sakko. Ja, so etwas gibt es auch. Ein Sakko ohne Ärmel. Das gibt beim Tanzen mehr Freiheit. Er hat in der Vergangenheit schon Spenzer, Janker und Westen genäht, und er liebt diese Arbeit. Als ausgebildeter Konstrukteur hat er eine genaue Vorstellung davon, wie das Endprodukt aussehen muss. „Nähen entspannt“, stellt er fest „und man sieht ziemlich bald den Erfolg.“ Schritt für Schritt steuert er auf das Endprodukt zu, immer die Ratschläge seines Lehrmeisters beherzigend. „Bügeln – aber vorsichtig“, ermahnt der Meister seine Kurs-Teilnehmer. Mit Rat und Tat steht er allen zur Seite – und mit umgehängtem Maßband. Jeans und T-Shirt trägt er übrigens nur in der Freizeit, das ist Berufsehre. Einige Teilnehmerinnen sind Wiederholungstäterinnen. Sie kommen immer wieder, immer mit neuen Ideen. Für alle Kursteilnehmerinnen spielt der Stoff eine große Rolle, für eine Teilnehmerin ist der Futterstoff sogar wichtiger als der Oberstoff, unglaublich!

Manche sind schon so versiert, dass sie für ihren Musikverein Trachten nähen, denn die „alten Hasen“ in Sachen Tracht sterben langsam aus. Da muss der Nachwuchs ran, und dank des „betreuten Nähens“, wie der kreative Lehrmeister Markus Hippold es nennt, ist das überhaupt kein Problem. Dass zum Dirndl eine Schürze gehört, war sogar uns unkundigen Badenern klar. Dass die Bindetechnik wichtig ist, auf diese Idee wären wir nicht gekommen. Das haben wir bei unseren Recherchen erfahren. Die links gebundene Schürze verrät, dass die Dirndl-Trägerin Single ist, verheiratete Frauen binden ihre Schürze rechts. Eine hinten gebundene Schürze weist auf eine Witwe hin, und Kinder und junge Mädchen tragen sie vorne mittig gebunden. Ich sagte es schon: Dirndl sind eine Wissenschaft für sich, und Trachten ein absolutes Kulturgut. Jedenfalls haben wir das Gefühl, bei Markus Hippold und seinen begeisterten KursteilnehmerInnen einen Schnelldurchlauf in Sachen Mode und Gesellschaftspolitik durchlaufen zu haben. Staunend und dankbar verabschieden wir uns, denn Markus Hippold hat versprochen, unser Spendenprojekt zu unterstützen.

Fotos: Janina Fischer, Richard Merkel

http://www.dirndlstubn-hippold.de

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