"Blümeln" in Sebnitz

Das ist das Schöne an unserer Reise. Tagtäglich werden wir ein wenig schlauer, weil wir Dinge erfahren, die neu für uns sind. Vielleicht war es auch eine Bildungslücke, wenn wir bisher nicht wussten, was eine „Blümlerin“ ist. Dabei war das lange Zeit ein Ausbildungsberuf in Sachsen, an der Grenze zu Böhmen. „Blümlerinnen“, um das Geheimnis zu lüften, stellen Kunstblumen her – naturgetreue Gebilde aus Samt und Seide, aus Baumwolle, Taft und Atlasseide. Blumen und Pflanzen, die in der Sebnitzer Kunstblumen-Manufaktur mit Fingerspitzengefühl und Liebe zum Detail hergestellt werden, sind erst auf den zweiten Blick von natürlichen Blumen, Gräsern und Blättern zu unterscheiden.

Die Tradition geht zurück auf das Jahr 1834. In Hochzeiten wurde in mehr als 200 Fabriken „geblümelt“, nicht zu vergessen die Heimarbeit. Auch in den Wohnstuben vieler Familien sind zarte Kostbarkeiten entstanden. Das Blümeln war ein bedeutender Industriezweig der Stadt mit bis zu 18.000 Beschäftigten. Mit der Wende ist der Beruf der Blümlerin ausgestorben. Die 14 Mitarbeiterinnen, die die Kunstblumen-Manufaktur am Leben erhalten, sind größtenteils Quereinsteigerinnen. Allerdings bemüht sich die Stadt Sebnitz, Nachwuchs zu fördern, indem Azubis, die einen kaufmännischen Beruf erlernen, ein viertes Ausbildungsjahr dranhängen und die speziellen Fertigkeiten erlernen können. In Sebnitz ist man sich einig: Dieser kreative Beruf darf nicht verloren gehen. Dazu gehört auch, dass die Geschichte bis heute lebendig geblieben ist. Produziert wurde nämlich nicht in Fabrikationshallen, sondern in Bürgerhäusern im Stil der Gründerzeit. Der „Blümelpfad“ verbindet die Produktionsstätten von einst, an 24 Stationen lässt sich viel über das Handwerk erfahren. Zum Beispiel über die verschiedenen Arbeitsgänge, die aus Stoff eine plastische Blüte werden lassen. Nicht weniger als 75.000 verschiedene Formen von Stanz- und Prägewerkzeugen, die zur Herstellung künstlicher Blüten und Blätter dienen, lagern im Keller. Sie werden wie ein kostbarer Schatz gehütet, denn sie sind unersetzbar.

Wie entsteht nun aber eine Kunstblüte?

Der Stoff wird eingefärbt
Blüten/Blätter werden ausgestanzt
Viola Scheibe an der Prägemaschine
Korina Backasch beim Färben
Einzelteile müssen zusammengefügt werden
Blümlerinnen beim Binden

Zuerst wird die Form der gewünschten Pflanze aus dem jeweiligen Stoff ausgestanzt. Mit einer Fuß- oder Handspindelpresse erhält das Gewächs die entsprechende Prägung. Händisch werden die kostbaren Gebilde dann gespritzt, gefärbt und gebunden – eine Geduldsarbeit, die alle am Produktionsprozess Beteiligten mit Herzblut verrichten. Viola Scheibe sprüht förmlich vor Begeisterung, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Wir erfahren, dass sie gerne Löwenzahn „blümelt“. Im Laden der Manufaktur findet die Kundschaft mehr als 250 verschiedene Blüten und Pflanzen, Einzelgewächse und Sträuße. Es versteht sich von selbst, dass in Sebnitz auch Sonderanfertigungen hergestellt werden, für Nationalparke zum Beispiel. Oft geht es darum, bedrohte Pflanzenarten wenigstens auf diese Art und Weise zu erhalten. Kunstblumen aus Sebnitz sind begehrt und werden im In- und Ausland geschätzt.

Jasmin Richter ist amtierendes Blumenmädchen
Lisa Schmidt leitet die Kunstblumen-Manufaktur

Als Botschafterinnen für die besonderen sächsischen Kreationen sind die Blumenmädchen unterwegs, die von einer unabhängigen Jury gewählt werden (wie andernorts die Zwetschgen- oder Weinkönigin). Aktuell hat Jasmin Richter dieses Amt inne. Schon ihre Urgroßeltern haben geblümelt, sie selbst beherrscht das Handwerk ebenso. Bei offiziellen Anlässen ist sie in der Tracht unterwegs, wie sie die Blümlerinnen um das Jahr 1900 herum getragen haben. Wer schon immer wissen wollte, wie Löwenzahn und Gänseblümchen ihre Gesichter bekommen, kann gerne in der Schaumanufaktur in Sebnitz vorbei schauen. Entsprechende Termine gehen aus der Homepage hervor:

www.deutsche-kunstblume-sebnitz.de

 

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